Karriere und Kinderwunsch | Über unzulässige Bewerbungsfragen und innerer Zerrissenheit

 

In den letzten Wochen war ich auf der Suche nach einem neuen Job und hatte dementsprechend einige Bewerbungsgespräche in relativ kurzer Zeit. Die Positionen, für die ich mich beworben hatte, waren vom Anforderungsprofil mehr oder weniger gleich und daher konnte ich den Ablauf, die Fragen und das Vorgehen der potentiellen Vorgesetzten und PersonalerInnen im Gespräch bzw. Evaluierungsverfahren relativ gut vergleichen. Es waren sehr interessante Gespräche dabei, aber auch Situationen, in denen ich sofort gewusst habe, dass es zwischenmenschlich nicht passen würde. Alles ganz normal, zu manchen hat man eben einen besseren Draht als zu anderen. Bei einem Gespräch ist dann aber etwas passiert, das mich wirklich schockiert hat. Als ich mit den zwei Vorgesetzten an einem Tisch Platz genommen hatte, sah ich meinen Lebenslauf ganz oben auf dem Stapel – und neben meinem Geburtsdatum riesengroß, dreimal unterstrichen und mit großem Rufzeichen die Zahl „26“. Irgendwie hat mich das schon etwas irritiert, aber groß gedacht habe ich mir in der Situation erstmals noch nichts.

 

Und? Wie schaut’s mit dem Kinderwunsch aus?

Mir wurde dann aber schnell klar, warum mein Alter anscheinend ein großes Thema darstellte. Während ich in anderen Gesprächen zuerst über mich, meine Stärken oder meine bisherige Laufbahn sprechen sollte, kam nach der Begrüßung und kurzer Vorstellung der Unternehmensphilosophie SOFORT die Frage „Wie sieht es bei Ihnen eigentlich mit der Familienplanung aus? Immerhin sind sie schon 26. Und nicht, dass wir grundsätzlich etwas gegen Familienplanung hätten, aber es wäre schon ungünstig, wenn sie sich in den nächsten Jahren für einen Kinderwunsch entscheiden sollten, immerhin investieren wir viel Zeit und Geld um sie in diese Position einzuschulen.“ Die Frage wäre mir als 26-jähriger Mann wohl erspart geblieben.

Ganz ehrlich? Ich war so perplex, dass ich zuerst gar nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich hatte mich wirklich auf alles vorbereitet, sogar darauf, dass dieses Thema eventuell „subtil“ angesprochen werden könnte. (Nicht, dass es das wirklich besser machen würde.) Aber, dass ich so unmittelbar mit einem derart persönlichen und intimen Thema konfrontiert werden würde, damit hatte selbst ich nicht gerechnet. Natürlich kenne ich die rechtliche Situation – Stichwort „Gleichbehandlungsgesetz“. Ich weiß, dass ich bezogen auf dieses Thema sogar lügen darf, selbst wenn ich zu diesem Zeitpunkt schwanger gewesen wäre. Aber viele Frauen stecken in der Zwickmühle. Sie wollen nicht lügen, wissen aber auch, dass ein „vielleicht in ein paar Jahren“ schon ein absolutes Ausschlusskriterium darstellen könnte. Eigentlich hätte ich an diesem Punkt das Gespräch beenden sollen. Aber meine Souveränität war plötzlich futsch. Leider war ich aber so überrumpelt, dass ich die Frage dann irgendwie ausweichend beantwortet habe, was mir dann noch weitere Rückfragen zu meiner privaten Situation eingebracht hat und das Ganze immer unangenehmer werden ließ.

Sind Männer die stabileren Mitarbeiter?

I KNOW. Es wird auch jetzt wieder einige geben, die solche Vorgehensweisen mit Argumenten wie „Der Unternehmer muss ja auch wissen auf was er sich einlässt“ oder „es gibt Frauen, die bewerben sich in einem neuen Job und werden gleich darauf schwanger“ schönreden. Ja, ich kenne diese Argumente. Ja, ich weiß es gibt solche Einzelfälle (!). Auch in meiner Familie gibt es einen Unternehmer, der in dieser Hinsicht leider den Kürzeren gezogen hat. Es sind aber eben Einzelfälle. Die Fluktuationswahrscheinlichkeit von Frauen und Männern nach Eintritt in ein Dienstverhältnis wurde von der Statistik Austria analysiert. Mit dem Ergebnis, dass Frauen, besonders zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses, die stabileren Mitarbeiterinnen sind. Also gerade in den Altersgruppen, in denen manche Vorgesetzte Dauerangst vor potentieller Schwangerschaft ihrer Arbeitnehmerinnen haben, ist der Anteil der Frauen, die mindestens ein Jahr im Job bleiben, höher als unter gleichaltrigen Männern.

Das Klischee hält sich trotzdem hartnäckig und die Antwort auf DIE Frage kann für viele Frauen ausschlaggebend für ihre Karriere sein. Erfahrungsgemäß sind gerade Bewerberinnen in höheren Positionen bzw. besser bezahlten Branchen weniger bereit, sich auf eine solche Frage einzulassen und ziehen im Anschluss den Kürzeren – was zu einer noch größeren Schere im Einkommen führt.

Die Frage nach dem Kinderwunsch – ein Minenfeld

 Vielen ist aber anscheinend nicht klar, wie heikel und unangebracht diese Frage in einem Bewerbungsgespräch (oder auch im privaten Umfeld!) für eine Frau sein kann. Was wäre, wenn ich unglaublich gerne Kinder hätte, aber keine bekommen könnte? Was wäre, wenn ich bereits eine Abtreibung gehabt hätte? Wenn ich eine Fehlgeburt erlitten, oder ein Kind verloren hätte? Was wäre, wenn ich gar keine Kinder haben möchte? (Und surprise, surprise – es soll auch tatsächlich Frauen geben, die keine Kinder WOLLEN.) Und der für die in meinem Fall beschriebenen Personen anscheinend wohl am schwersten vorzustellenden Fall: Was wäre, wenn ich mit Mitte zwanzig einfach selber noch nicht weiß, ob und wann ich Kinder will?

Klischee ade!

Zum Glück sind mir in den anderen Gesprächen Fragen zu meinem Privatleben und Familienplanung erspart geblieben – ich als Person, meine Fähigkeiten und meine bisherige Laufbahn waren wichtiger als die Frage, was eventuell in zwei, fünf oder zehn Jahren sein könnte. Das Ende der Geschichte: zwei Tage später bekam ich einen Anruf von besagtem Unternehmen und den Job angeboten. Ich glaube, ihr könnt euch denken, wie meine Entscheidung ausgefallen ist. ;-)

 
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