MINDTALK | Beziehung
Über unser Kennenlernen, schicksalhafte Fügungen und warum wir unsere Beziehung auf Social Media öffentlich machen
Endlich habe ich es auch einmal geschafft, mich an den Beitrag zu unserer Beziehungsstory zu setzen. Da dies unser gemeinsamer Blog ist und mein Freund einen seeehr großen Teil zu der Qualität des Outputs auf anatom.at beiträgt, ist es an der Zeit auch unsere gemeinsame Geschichte ein wenig ins Licht zu rücken.
What people don’t know, they can’t ruin
Mir ist bewusst, dass viele Menschen nicht verstehen, warum man sein Privatleben – und vor allem seine Partnerschaft – so sehr der Öffentlichkeit preisgibt. Zuallererst: ich kann das absolut nachvollziehen. Nicht umsonst hat man vor meiner Beziehung zu Tom auf keiner Social Media Plattform jahrelang auch nur ein Anzeichen auf eine Partnerschaft gefunden. Und nein, ich war kein Dauersingle, eher das Gegenteil. Es gibt einen Spruch, der mein Denken damals sehr beeinflusst hat. „What people don’t know, they can‘t ruin.“ Meine erste langjährige Beziehung hatte ich damals auch öffentlich gemacht – als diese gescheitert ist musste ich mir das nicht nur vor mir, sondern auch vor einigen tausend fremden Menschen eingestehen. Auch wenn ich später Männer gedatet habe und dann irgendwann klar wurde, dass ich auf Social Media mehr preisgebe als der Durchschnitt, habe ich immer gleich klargestellt, dass das nicht für meinen Partner gilt. Denn natürlich macht man sich verletzlich und zieht teilweise auch Neid auf sich, wenn man gemeinsames Glück öffentlich macht.
Schicksal ist, wenn sich zwei finden, die sich nie gesucht haben
Als ich Tom kennengelernt habe, war für mich also klar: keine #couplegoal Fotos, keine gemeinsamen Instagram Highlights oder gegenseitige Verlinkung in der Profilbeschreibung. Nicht mal auf Facebook waren wir anfangs befreundet. Social Media war für uns in der Anfangsphase wirklich NULL Thema, was irgendwie lustig ist, denn so haben wir uns schließlich kennengelernt. Wer jetzt also eine extrem spannende Story erwartet hat, den muss ich leider enttäuschen. Ich bin nicht gestolpert und vor Tom’s Füße gefallen und wir sind uns auch nicht aufgrund irgendwelcher krassen Schicksalswendungen über den Weg gelaufen und wussten „das ist der Mensch meines Lebens“. Denn auch, wenn ich fest an Schicksal glaube, hat mich meine Vergangenheit immer mehr zur Pragmatikerin werden lassen. Rückblickend betrachtet war dann aber doch ein wenig Schicksal dabei: ausgerechnet an dem Tag, an dem er mir geschrieben hat, hatte ich den Kontakt mit dem Mann, den ich damals gerade am Kennenlernen war - aus Gründen - abgebrochen und mir eigentlich geschworen, alle Annäherungsversuche für die nächste Zeit abzublocken und endlich „zu mir selbst zu finden“, wie mir so manche Freunde geraten haben.
Genau zu dem Zeitpunkt, an dem ich also beschlossen hatte, dass ich keinen Mann in meinem Leben will, kam der Mann meines Lebens. Damals konnte ich das aber natürlich noch nicht wissen. Denn was meine Anfangsgeschichte mit Tom von allen anderen zuvor unterschieden hat, war, dass sie so unglaublich entspannt und ohne jeglichen Druck abgelaufen ist. Wir haben nicht geschrieben, weil wir auf irgendetwas aus waren, sondern weil wir uns super verstanden und gleiche Interessen und Ansichten zu vielen Dingen hatten. Kein „wir müssen uns jetzt so bald wie möglich treffen“, kein tägliches telefonieren, keine vorschnellen Annäherungen oder Kennenlernen der gesamten Familie inkl. Cousin zweiten Grades nach dem dritten Date. Wir haben einfach Zeit miteinander verbracht. Wir haben wahnsinnig tolle Gespräche geführt, in irgendeinem Café sitzend Leute beobachtet und geblödelt. Oder wir sind stundenlang planlos durch die Stadt spaziert. Kurz gesagt: ich glaube nicht, dass ich in meinem Leben zuvor jemals schon so ausgeglichen, befreit und glücklich war.
So sein wie man ist
Einer der Schlüsselmomente war, als ich Tom dann endlich meiner besten Freundin vorgestellt habe. Als wir am nächsten Tag über das Kennenlernen gesprochen haben und ich sie nach ihrer Meinung zu ihm gefragt hatte, kam eine Aussage, die ich nie vergessen werde: „Anni, in seiner Gegenwart bist du einfach genauso wie du bist.“ Etwas Schöneres hätte sie nicht sagen können, denn dieser Satz beschreibt auch heute noch genau das, was ich von Anfang an gefühlt habe. Ich kann einfach sein, wie ich bin. Mit all meinen Marotten, Fehlern und Makeln. Ich weiß, dass ich nicht immer die einfachste Person bin – ich würde mir lieber den Arm amputieren, als zuzugeben, dass ich etwas alleine nicht schaffe, Hilfe brauche oder gekränkt bin. Über Probleme rede ich nicht gerne, auch nicht mit sehr nahstehenden Menschen. Ich war immer Einzelkämpferin. Aber plötzlich war ich nicht mehr alleine und musste nicht mehr kämpfen. Weil jemand da war, der mich verstanden hat. Jemand, der solange mit mir geredet hat, bis auch ich bereit war zu reden. Jemand, der mich zum Lachen gebracht hat, wenn ich mir wieder einmal den Kopf über etwas zerbrochen habe, das ich sowieso nicht ändern kann. Jemand, der auch bereit war auf mich zuzukommen und nicht von mir erwartet hat, dass ich mein komplettes Leben nach seinen Gewohnheiten ausrichte. Diese Möglichkeit, die ich plötzlich hatte – mich komplett fallen lassen können, mein Innerstes nach außen kehren, über meine Ängste und Träume sprechen – hat mich bereits jetzt in meiner persönlichen Entwicklung sehr weit nach vorne gebracht. Und ich glaube, dass ist auch das, was eine wirklich gute Beziehung ausmacht: durch den anderen einfach zur besten und ehrlichsten Version seiner Selbst zu werden.
Privacy is power?
Zurück zu Social Media. Der Entschluss, unsere Beziehung doch auf Instagram und co. öffentlich zu machen, resultierte eher aus einer Bauchentscheidung, ganz nach dem Motto „schau ma mal wie’s klappt“. Wie gesagt – für mich wäre es kein Problem gewesen, wenn mein Freund das nicht gewollt hätte. Denn ich wusste, dass er sicher von der ein oder anderen Person abgecheckt wird, sobald ich ein Bild von uns online stelle. Und genauso war’s auch – noch nie hatte eine Story mehr Aufrufe, noch nie ein Bild eine höhere Reichweite. Meine Freunde und sogar meine Familie wurden auf der Arbeit (!) darauf angesprochen und mir wurde wieder einmal bewusst, dass die Gesellschaft doch neugieriger ist, als es manchmal den Anschein hat. Wir haben die Entscheidung aber nie bereut! Wir sind glücklich und wir zeigen das gerne. Wenn jemand ein Problem damit hat, kann er gerne den Abgang antreten. Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, in der sowieso jeder jeden kennt (oder glaubt zu kennen) und bin daher an die ein oder andere Spatzenpost gewöhnt. ;-) Mir gibt es wahnsinnig viel, wenn mir Leute aufrichtig vermitteln, wie sehr sie sich für mich/uns freuen. Denn genauso freue ich mich für jeden, der sein Glück gefunden hat – egal in welcher Art und Weise.
Privatsphäre ist definitiv wichtig – und es gibt viele Facetten unseres Lebens, die auch wir sicherlich niemals öffentlich machen werden. Aber aus der Missgunst einiger weniger Menschen den Rückschluss zu ziehen, dass man sein Glück und seine Emotionen nicht mehr nach außen tragen sollte, finde ich persönlich einen problematischen und letztendlich falschen Ansatz. Das zeigen mir die zahlreichen positiven Rückmeldungen, die ich bekomme. Am meisten berührt hat mich die Nachricht einer Abonnentin, die Tom und mich am Bahnhof gesehen hat, genau bei unserem Wiedersehen nach einer längeren örtlichen Trennung. Ihre Worte: „Sieht man nicht alle Tage so echte Emotionen. Bin direkt mitgerissen worden“. Und ich glaube um das sollte es am Ende auch auf Social Media gehen. Nicht darum ein nettes Bild zu posten oder ein Image aufzubauen, das selbstverherrlichend und surreal ist. Es geht darum seine Emotionen zu transportieren, anderen Einblick in sein Leben zu geben und sie dadurch irgendwie auch zum Teil seines eigenen Weges zu machen.