MINDTALK | BODYTALK: Zwischen Selbstoptimierung und verordneter Selbstliebe

 

Dieser Blogbeitrag ist rein zufällig entstanden. Eigentlich habe ich nur durch meine Instagram Startseite gescrollt und bemerkt, dass sich ein Großteil der mir angezeigten Posts entweder der Kategorie „ständige Selbstoptimierung“ oder jener der „unabdingbaren Selbstliebe“ zuordnen lassen. Und ich habe mich gefragt: Wo gehöre ich dazu? Und – gibt es auch irgendwas dazwischen?

Beziehen will ich mich in diesem Beitrag vor allem auf das Thema Körper – weil sich nämlich genau dahingehend die Geister am meisten scheiden und unser Erscheinungsbild immer mehr als Aushängeschild für unsere Überzeugungen auf Social Media genutzt wird. Auf den ersten Blick soll erkennbar sein: Wohin gehöre ich? Zu den Menschen, die nach der 10 Stunden Schicht noch ins Gym rennen – „no excuses“. Oder doch zu denen, die in der Früh in den Spiegel schauen und sich einfach wunderschön finden, wie sie sind – und ja, auch wirklich und versprochen JEDEN Tag.

 

Ständige Selbstoptimierung – besser, schöner, fitter

Als ich 2014 mit Instagram angefangen habe, war ich fasziniert von dem motivierenden Effekt, den diese Plattform auf mich und meine sportlichen Ziele hatte. Zumindest zu Beginn. Zu der Zeit war ich ca. 5-6 Mal die Woche im Gym, habe mich Low Carb ernährt und hatte ein Sixpack. War ich glücklich damit? Nein. Denn es gab immer eine, die schöner war. Eine, die schlanker war. Eine, die motivierter war. Eine, die ihre Ernährung strikt durchgezogen hat während ich es ohne Cheatmeal nicht schaffte. Und ich wusste: 30 Tausend Leute waren mir nicht innerhalb von einem knappen Jahr gefolgt, weil ich so nett war. Sondern weil sie meine „Fitnessjourney“ – meinen Weg zur Selbstoptimierung – mitverfolgen wollten. Aber ich wollte eben nicht nur den perfekten Körper. Da gab es noch die Uni, eine Beziehung, Familie, Freunde, meinen Job und den Wunsch auch andere Interessen zu verfolgen. Das ständige Bestreben alle Prozesse in meinem Leben und letztendlich mich selbst zu optimieren hat mich ständig begleitet.

 

Body positivity – müssen wir uns wirklich immer lieben?

Keine Bewegung ohne Gegenbewegung. Ich werde nie den Moment vergessen, als ich das erste Mal ein Bild auf Instagram sah, auf dem eine Frau bewusst ihre Cellulite und Dehnungsstreifen in die Kamera zeigte. Herrliche Abwechslung nach jahrelangen (auch in meinem Fall ab und an verunglückten) FaceTune Fauxpas. Das Wort „Bodypositivity“ wurde plötzlich unter Bildern verwendet, Frauen für ihre „imperfections“ gefeiert. Es wurden nicht mehr ausschließlich 10 Wochen Transformationsbilder gepostet, sondern die bis heute noch sehr beliebten 2 Sekunden Vorher-Nacher Bilder – denn ja, ein guter Winkel kann viel bewirken. Anfangs hat mich diese Welle an Selbstliebe komplett erfasst. Endlich konnte ich mir den selbst auferlegten Druck nehmen, denn es gab anscheinend viele andere Frauen mit unreiner Haut, Dehnungsstreifen, PMS und dem einen oder anderen Kilo zu viel oder zu wenig auf den Rippen.

Mit der Zeit jedoch wurde diese Selbstliebe – zumindest meinem Empfinden nach (!) – immer mehr zur verordneten Selbstliebe. Message: Du musst dich und deinen Körper lieben - und zwar IMMER und ÜBERALL. Aber ganz ehrlich? Die Liebe für meine Cellulite im Neonlicht der Mini-Umkleide bei Calzedonia hält sich in Grenzen. Ich mag meine Beine lieber ohne Wassereinlagerungen. Und ja, wenn ich einen Pickel mitten auf der Stirn habe zögere ich keine Sekunde die Überlagern-Funktion in bestimmten Apps zu aktivieren.

 

JA – es gibt etwas dazwischen

Mir ist bewusst, dass ich damit sicherlich den einen oder anderen vor den Kopf stoßen werde. Es gibt schließlich Gründe, weshalb wir uns zu Selbstoptimierung oder bedingungsloser Selbstliebe verdonnern lassen. Wir sind soziale Wesen mit dem ständigen Bedürfnis uns einer Gruppe und/oder Ideologie zuzuordnen. Wir wollen Gleichgesinnte finden, das Gefühl haben nicht alleine zu sein. Deshalb finde ich es grundsätzlich gut, wenn wir uns gegenseitig motivieren besser zu werden oder aber auch einfach so zu bleiben, wie wir sind. Ich habe aber für mich beschlossen, dass es auch irgendwo Grenzen geben soll.

Es gibt Tage, an denen ich mich liebe. Und es gibt Tage, an denen ich mich nicht liebe aber trotzdem akzeptiere. Ich muss anderen nicht beweisen, wie konsequent ich meine Ziele verfolge, solange ich es selber weiß. Ich muss kein möglichst unvorteilhaftes Bild von mir posten, um andere davon zu überzeugen, wie sehr ich meinen Körper liebe, solange ich mich und meine Makel selbst annehmen kann. Das ist mein perfektes Dazwischen.

 
 
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